Olivia Vieweg (2014)
Antoinette lebt in Los Angeles. Um ihre
Kindheit in Deutschland macht sie am liebsten ein Geheimnis. Dass die meisten
ihrer Kollegen glauben, sie sei Schwedin ist ihr nur recht, denn diese
Vergangenheit würde sie selbst am liebsten vergessen. Als Tochter einer
psychisch kranken Mutter wurde sie in der Schule gemobbt und so von ihren
Klassenkameraden regelrecht gequält. Besonders Jonathan, der
"Anführer" dieser grausamen Spiele, geht ihr nicht aus dem Sinn und
sie lässt keinen Tag verstreichen, ohne ihr Heimatdorf über eine Webcam zu
beobachten.
Eines Tages beschließt sie, den Alpträumen ein
Ende zu setzen und begibt sich auf die Reise zurück in ihre Kindheit, um mit
dem Erlebten abschließen zu können. Kaum in dem idyllischen Ort Harzberg
angekommen, läuft ihr auch schon eine "Freundin" von damals über den
Weg und nimmt sie mit zu einer Gartenparty, bei der ihre einstmaligen Peiniger
versammelt sind und sie umschwärmen. Schließlich weiß jeder, dass Antoinette in
den USA einen berühmten Schauspieler geheiratet hat. Nur einer fehlt: Jonathan.
Antoinette erfährt, dass er einen Verkehrsunfall hatte und wegen der Folgen in
einem Pflegeheim behandelt wird. Man drängt sie, ihn zu besuchen, was
Antoinette dann auch tut. Opfer und Täter von damals begegnen sich am
Krankenbett, an das der gelähmte Jonathan nun gefesselt ist.
Mit Antoinette kehrt zurück hat Olivia Vieweg ein graphic novel geschaffen, das es durchaus mit
großer Literatur aufnehmen kann. Sie selbst weist auf Dürrenmatts Drama Der
Besuch der alten Dame hin und gibt damit den Anstoß zu
einem Vergleich, der mir als Lehrerin Lust auf Literaturunterricht macht. Doch
nicht nur dieser Vergleich kann ergiebig sein! Auch die Gestaltung der
einzelnen Bilder im Buch sowie das mysteriöse alter ego, das Antoinette zurück
in ihre alte Heimat lockt bieten sich für Analyse und Interpretation an, die
auf Grund der Kürze und Überschaubarkeit des Werkes wenig mühsam sind. Im
Rahmen der Leserunde auf www.lovelybooks.de habe ich das Buch nun schon fünfmal
gelesen und habe immer noch Freude daran, weil ich immer wieder auf Neues
stoße. Manches hat sich für mich auch erst nach der Auseinandersetzung mit den
Beiträgen anderer Leser geklärt.
Was die Bilder und Bildkompositionen betrifft ist
zu sagen, dass jede Doppelseite einer Sinneinheit entspricht, ähnlich einer
Szene in einem Film. Das strukturiert den Text schön bzw. könnte im Unterricht
dadurch die Textstruktur leicht besprochen und analysiert werden.
Was ich auch spannend finde ist, dass in graphic novels Details eingebaut werden können, ohne sie zur
Sprache zu bringen. Zum Beispiel wird über Vögel nie explizit gesprochen, doch
sie kommen in den Bildern vor und so wirkt ihre Symbolik, ohne dass sprachlich
darauf hingewiesen wird.
Ein besonderes Extra ist der Anhang im Buch.
Die junge Autorin gewährt einen Einblick ins Comic-Zeichnen, zeigt verworfene
Versionen der Protagonistin und alternative Titelseiten. Wer vorhat, graphic
novels zum Thema seines/ihres Unterrichts zu machen, ist hier auf jeden Fall
gut bedient.
Der noch junge Egmont Verlag ist übrigens Teil
einer Stiftung, "deren Ziel es ist, die sozialen, kulturellen und
gesundheitlichen Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen zu
verbessern." (Quelle: Impressum "Antoinette kehrt zurück")
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