Über mich

Ich bin immer auf der Suche nach Literatur, die jungen Menschen Lust auf's Lesen macht!

Dienstag, 23. September 2014

Djihad Paradise

Anna Kuschnarowa, Beltz & Gelberg 2013


Quelle: www.beltz.de






Romera und Julian. Zwei Liebende aus Familien, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Julian lebt allein mit seinem arbeitslosen Vater in einer verwahrlosten Wohnung, Romera entstammt einer wohlhabenden Familie und hat einiges auf der hohen Kante. Neu ist dieses Konzept nicht, auf mich wirkt es sogar abgedroschen. Dazu kommt noch die "Berliner Jugendsprache", die das Ganze wohl für jugendliche Leser ansprechender machen soll. Nach einigen Seiten ging es mir schon auf die Nerven. Trotz meiner Überzeugung, dass man ein Buch nicht zu Ende lesen muss, habe ich es nicht aufgegeben, denn inhaltlich hat Djihad Paradise einiges zu bieten.





Aus wechselnder Erzählperspektive wird die Liebes- und Glaubensgeschichte zweier deutscher Teenager erzählt. Anna Kuschnarowa lässt die beiden Jugendlichen mit den klingenden Namen in einem Einkaufszentrum aufeinander treffen und auf ihre gemeinsame Vergangenheit zurück blicken. Das Besondere daran: Julian trägt einen Sprengstoffgürtel und ist offenbar dazu bereit, sich selbst und die Menschen um sich herum im Zeichen des Djihad in den Tod zu schicken. Die Erinnerungen der ehemals Liebenden rekonstruieren eine Geschichte, in der sich zwei junge Menschen von ihren Familien ab- und einer neuen Religion - dem Islam - zuwenden.
Julian, der beim Drogendealen erwischt wird und hinter Gitter wandert, lernt im Gefängnis den konservativ gläubigen Moslem Murat kennen, der ihn mit seinem Glauben an Allah und die Gesetze des Islam ansteckt. Wieder in Freiheit wohnen die beiden zusammen und Murat führt Julian in eine fundamentalistische Salafistengemeinde ein. Erst ist Romera gegen das Ganze, doch nach einiger Zeit wird auch sie gläubige Muslima. In einer Notsituation flüchten sie in die Moschee und finden dort Zuflucht, bis Julian und Murat zur Märtyrer-Ausbildung nach Ägypten geschickt werden und Romera die Gemeinschaft verlässt.

Für mich ist es schwer vorstellbar, dass beide - Julian und Romera - nach nur einer meditativen Gebetserfahrung von einer neuen Religion so verzaubert sind, dass sie alles über sie erfahren und ihr ihr Leben widmen wollen. Noch dazu, wenn sie sich doch zu Beginn noch dagegen sträuben. Ich unterrichte Religion und bin sehr für die Akzeptanz zwischen Islam und Christentum. Stellenweise war ich mir beim Lesen nicht sicher, ob nicht ein Bild gezeichnet wird, in dem der Islam sozusagen als "Kinderfänger" dargestellt wird, schließlich weiß man von Beginn an, wohin die Gemeinschaft Julian führt. Allerdings wird auch deutlich, dass es sich bei der Gemeinde, in die die Teenager, die religiös bisher nicht verwurzelt waren, hineingeraten, um eine fundamentalistische Gruppierung handelt, die terroristische Angriffe nicht verurteilt und sogar den Kontakt zur Terrorgruppe in Ägypten herstellt. Als Romera die Gemeinschaft verlässt, wendet sie sich außerdem nicht vom Islam ab, sondern findet ihre religiöse Heimat in einer Gruppe gemäßigter junger Muslime, die die Salafistengemeinde scharf kritisieren. Der Leser erkennt: Muslime sind nicht gleich Muslime.

Derzeit ist die Terrorgruppe Islamischer Staat in allen Medien präsent. Vergleicht man den Werdegang des jungen Julian in Djihad Paradise mit dem, was man von Experten über die Anwerbung von Kämpfern für den "heiligen Krieg" erfährt, wird klar, dass Anna Kuschnarowa ihren Roman durchaus realistisch konzipiert hat. Nach der Lektüre bleibt der Eindruck, dass dies ist nicht nur eine x-beliebige, erfundene Story ist, sondern heute so, oder so ähnlich, in Frankreich, Deutschland, Österreich passiert.

Sonntag, 21. September 2014

tschick

Wolfgang Herrndorf, Rowohlt 2012


www.rowohlt.de





Tschick ist ein Jugendroman, der mir in einigen Empfehlungen für den Literaturunterricht begegnet ist und der - so glaube ich - mal ein Buch ist, das jungen Menschen wieder Lust auf's Lesen macht. Und: 2014 halte ich die unglaubliche 29. Auflage des erst 2012 erschienenen Romans in Händen.














Endlich Sommerferien! Vor Maik Klingenberg liegt eine Zeit, die nur ihm gehört: sturmfrei! Doch so problemlos wie das klingt, ist es nicht. Sein Vater fährt auf eine angebliche Geschäftsreise mit seiner Assistentin, doch Maik weiß, dass die beiden ein Verhältnis haben. Die Mutter ist (wieder einmal) in einer Entzugsklinik. Dass diese traurigen Umstände im Buch fast etwas unterzugehen scheinen, liegt wohl daran, dass Maik die Wahrheit zwar kennt, sie aber beiseite schiebt.
Die elternfreie Zeit will der 14-Jährige eigentlich mit Computerspielen und Alleinsein zubringen. Doch dann fährt sein aufdringlicher russischer Mitschüler Andrej Tschichatschov, kurz Tschick genannt, mit einem gestohlenen Auto vor. Noch dazu handelt es sich dabei um das wohl auffälligste Gefährt weit und breit: einen hellblauen Lada. Tschick überredet Maik erst zu einer Spritztour, dann zu einem Urlaub in ebendiesem Wagen. Und schon beginnt ein Abenteuer, das einem die Lachtränen in die Augen treibt, denn die beiden Schüler treffen auf ihrer Reise zu Tschicks Verwandten in der Walachei auf skurrile Persönlichkeiten, die ihnen aber (meistens) freundlich begegnen.
Hinter dem skurrilen, gut gelaunten Sommertrip liegt jedoch ein harter Alltag, den der Leser erahnen kann, als Maiks Vater seinen Sohn dazu drängt, in einer Verhandlung der Vorfälle seine neu gewonnenen Freund Tschick - dem Russen, dem Bruder eines Kriminellen, dem schon einmal auffällig Gewordenen - allein die Schuld zu geben.

Besonders liebenswert erscheinen die beiden Protagonisten, weil Wolfgang Herrndorf darauf verzichtet, seine "Helden" zu coolen, frühreifen Vorbildern zu machen, sondern sie trotz ihres wilden Trips doch auch noch Kinder sein lässt. So übt Maik auf einer Wiese das Autofahren und Tschick klebt sich schwarzes Klebeband auf die Oberlippe, um beim Fahren nicht als 14-jähriger Teenager erkannt zu werden.

Auch sprachlich schafft Herrndorf einen Balanceakt, denn die Dialoge sind weit im jugendsprachlichen Feld anzusiedeln und bleiben trotzdem authentisch - für mich als fast dreißigjährige Lehrerin zumindest. Bei der Lektüre in der Schule ist das wohl nicht für jeden ganz einfach, denn da wird einem das f*-Wort in allen deutschen und englischen Varianten nur so um die Ohren gehauen. Das kann auch zu Gesprächen über die Umgangssprache unter Jugendlichen anregen. Besonders lustig: Manche Passagen mit den Schülern gemeinsam, also laut, lesen. Da bleibt kaum ein Auge trocken.